THE CHANGE

BLACK MIRROR ist jetzt: 7 Dystopien, die schon real sind

Kyle Chandler, Diane Lane
THE CHANGE, Rechte bei Tobis, Foto: Owen Behan

Als der politische Thriller THE CHANGE über einen radikalen Demokratieabbau in den USA geschrieben wurde, war die Welt noch eine andere. Nun, da der Film Jan Komasa im Kino ist, hat die Realität die Fiktion eingeholt. 

Phoebe Dynevor, die im Film die Anführerin der titelgebenden Bewegung spielt, ist selbst schockiert:  

„Vor drei Jahren wirkte das Drehbuch zu diesem Film extrem, fast dystopisch.“

Hauptdarstellerin Diane Lane ergänzt:

„In unserem Film verschwinden Menschen. Es passieren Dinge, die wir für unglaublich hielten. Und nun befinden wir uns in der Realität an diesem Punkt.“

THE CHANGE ist das aktuellste Beispiel dafür, wie schnell düstere Zukunftsvisionen wahr werden können. Mit den folgenden Serien und Filmen werfen wir einen warnenden Blick in eine Zukunft, die längst begonnen hat.

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NETWORK (1977)

Eigentlich sollte der Nachrichtensprecher Howard Beale (Peter Finch) gefeuert werden. Doch als er seinen ganzen Frust über den Zustand der Gesellschaft vor laufender Kamera entlädt, erkennt die Programmchefin Diana Christensen (Faye Dunaway) Potential für ein neues Format. Fortan wettert Beale zur Primetime so medienwirksam, dass er eine ganze Bewegung von Wutbürgern hinter sich versammelt.

 

Sidney Lumets Groteske ist eine Wucht. Sie entblößt die moderne Medienlandschaft als Propagandamittel, das sie bereits vor 50 Jahren war und bis heute noch ist. Nur auf Quote ausgelegt und darauf, die Menschen zu lenken, die sie Abend für Abend mit einer alternativen Realität beschallt. Fox News lässt grüßen. Aber auch eine noch drastischere, hochaktuelle Prophezeiung beinhaltet der Film in einer Brandrede von Beale: 

„Tief im Innern unserer armen, verängstigten Seele wissen wir alle, dass die Demokratie ein sterbender Riese ist. Ein [...] politisches Konzept, das sich in den letzten Qualen windet. Ich meine damit nicht, dass die Vereinigten Staaten als Weltmacht erledigt sind. Erledigt ist Folgendes: Die Idee, dass dieses große, schöne und reiche Land für die Freiheit und das Wohlergehen jedes einzelnen Individuums da ist.“

CHILDREN OF MEN (2006)

Seit die Menschheit die Fähigkeit zur Fortpflanzung verloren hat, versinkt die Welt im Chaos. Großbritannien ist zum Polizeistaat geworden. Ausgerechnet der desillusionierte Regierungsmitarbeiter Theo Faron (Clive Owen) soll helfen, die Welt zu retten: Seine Ex-Frau (Julianne Moore) vertraut ihm die junge Kee (Claire-Hope Ashitey) an. Sie ist hochschwanger. Aber sie ist auch ein Flüchtling. Und damit in großer Gefahr.

 

Einwanderer, die gnadenlos verfolgt und in Käfige gesperrt werden, mediale Kampagnen, die dazu aufrufen, Immigranten zu melden. Was klingt wie die USA 2025, ist in Alfonso Cuaróns Dystopie das Großbritannien des Jahres 2027. Auch die im Film angedeuteten Umweltkrisen sind bereits Teil unserer Realität. CHILDREN OF MEN mag vor knapp 20 Jahren als düstere Vision einer fernen Zukunft verstanden worden sein – heute wirkt der Film in Aspekten wie dem Umgang mit Geflüchteten und einer global spürbaren gesellschaftlichen Erschöpfung fast schon dokumentarisch.

THE HANDMAID’S TALE - DER REPORT DER MAGD (2017-2025)

Nach einem Umsturz sind die USA zu einem patriarchalen, christlich-fundamentalistischen Staat geworden. An Stelle der Verfassung ist die Bibel getreten. Umweltzerstörung hat große Teile der Bevölkerung unfruchtbar gemacht und Frauen haben keinerlei Rechte mehr. Besonders die „Mägde“, Frauen, die noch Kinder bekommen können, leiden in dieser brutalen Diktatur. Sie sind Eigentum eines Herrn, der mit ihnen den Nachwuchs der Elite zeugen soll.

 

In den letzten Jahren sind die USA der Dystopie, die Margaret Atwood in ihrem Roman von 1985 beschrieb, gefährlich nahe gekommen. „Tradwifes“, junge Frauen, die auf sozialen Medien den Wert traditioneller Familienstrukturen und die Unterwürfigkeit der Frau propagieren, sind ein gefährlicher Trend. Gesetze, die Abtreibungen illegalisieren und eingeschränkter Zugang zu Verhütungsmitteln zwingen Frauen praktisch zum Kinderkriegen und politische Entscheidungen unter Trumps republikanischer Partei, wie etwa die Säkularisierung von Schulen, werden immer öfter mit religiösen Argumenten gerechtfertigt. 

THE COLLAPSE (2019)

Der Titel dieses absoluten Geheimtipps verrät es bereits: Die zivile Gesellschaft, wie wir sie bis eben noch gekannt haben, ist zusammengebrochen. Energiekrisen, Versorgungsengpässe und Klimawandel haben die gewohnten Strukturen der Menschheit soweit bröckeln lassen, dass nun vielerorts das Gesetz des Stärkeren herrscht.

 

Diese französische Miniserie fühlt sich nicht nur aufgrund der Kameraarbeit verdammt realistisch an. Jede Episode widmet sich einem Szenario, das uns jederzeit begegnen könnte. Zusammenstöße im Supermarkt etwa erinnern an Extremversionen der hierzulande zur Coronazeit aufkommenden Klopapier-Schlachten. THE COLLAPSE kommt ohne Effekte aus und fokussiert sich weniger auf die politische Machtebene als auf die ganz praktischen Folgen eines Zusammenbruchs für den Alltag normaler Menschen, die angesichts einer kollabierten Infrastruktur neue Überlebensstrategien entwickeln müssen.

YEARS AND YEARS (2020)

Die Serie begleitet die britische Familie Lyons, die von 2019 bis 2029 Zeuge mehrerer tiefgreifender gesellschaftlicher und politischer Umbrüche wird: der schwule Daniel (Russell Tovey) muss um seine Rechte fürchten. Sein Bruder Stephen (Rory Kinnear) und dessen Frau Celeste (T’Nia Miller) könnten ihre Töchter an den technologischen Fortschritt verlieren, der die Familie in den wirtschaftlichen Ruin treibt. Währenddessen erlangt die populistische Unternehmerin Vivienne Rook (Emma Thompson) immer mehr politische Macht im Land. 

 

Zwei Dinge hat YEARS AND YEARS bereits korrekt vorausgesagt: Den Tod der Queen und die Wiederwahl von Donald Trump. Hoffen wir, dass nicht noch mehr Visionen des genialen Russell T Davies’ Realität werden: echte Menschen mutieren mit Hilfe moderner Technologie zu Instagram-Filtern, europäische Staaten werden instabil, künstliche Intelligenz verdrängt den Menschen. Moment mal, das klingt eigentlich alles wie die Nachrichten von morgen. Ein Vergnügen ist diese Serie trotzdem, dank der herausragenden Emma Thompson und des typisch britischen Humors.

CIVIL WAR (2024)

Ein Bürgerkrieg zerreißt die USA: Der Präsident (Nick Offerman) hat gegen die Verfassung verstoßen und sich zum dritten Mal wählen lassen. Das FBI wurde aufgelöst, Kalifornien, Texas und andere Bundesstaaten haben sich zu den Western Forces zusammengeschlossen, die das US-Militär angreifen. Auf dem Weg zu einem Interview mit dem Präsidenten dokumentieren die Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst), ihr Kollege Joel (Wagner Moura) und die Nachwuchsjournalistin Jessie (Cailee Spaeny) das Geschehen.

 

Mit CIVIL WAR hat sich Alex Garland als unglaublich hellsichtig erwiesen. Seit Beginn seiner zweiten und eigentlich letzten Amtszeit verschiebt Trump die Grenzen des Erlaubten täglich. Genau wie der Präsident in CIVIL WAR tritt er die Verfassung mit Füßen: „Trump 2028“-Cappies machen die Runde, das Militär rückt immer öfter gegen das eigene Volk aus. Und tatsächlich bietet Kalifornien als einer der wenigen Bundesstaaten Trumps aggressivem Vorgehen die Stirn. Noch nie waren die USA einem zweiten Bürgerkrieg so nah wie jetzt. 

BLACK MIRROR (seit 2011)

Wie wäre es, wenn unser Leben buchstäblich davon abhängen würde, wie viele Likes wir bekommen? Oder wenn unsere Gesundheit nur durch ein Abonnement bei einem Technologiekonzern gesichert wäre, der uns ständig in neue Premiumpakete zwingt, die wir uns eigentlich nicht leisten können? Jede Episode entwirft ein anderes Bild einer unbestimmten Zukunft, in der die technologischen Entwicklungen unsere Art zu leben, zu lieben und zu sterben bestimmen.

 

Diese in Großbritannien produzierte Anthologie hält der Menschheit den schwarzen Spiegel vor. Eine Anspielung auf die dunklen Bildschirme unserer Smartphones, Fernseher und Computer, auf die wir heute den größten Teil unserer Aufmerksamkeit richten. Dabei sollten wir gut aufpassen, dass wir nicht eines Tages aufblicken und plötzlich selbst zu Protagonist:innen einer BLACK MIRROR-Folge geworden sind. Serien-Schöpfer Charlie Brooker zeigt, wie dünn die Grenze zwischen Fortschritt und Kontrollverlust geworden ist und beschreibt seinen Ansatz so: 

„Es geht darum, wie wir jetzt leben – und wie wir in zehn Minuten leben könnten, wenn wir ungeschickt sind. Und wenn wir eines über die Menschheit wissen, dann, dass wir in der Regel ungeschickt sind.“

Wie schnell die Dinge kippen können, führt uns aktuell der Kinofilm THE CHANGE vor Augen. Darin erleben wir gemeinsam mit einer ganz normalen Familie, wie Freiheiten, die wir eben noch für selbstverständlich hielten, verloren gehen können. Und welchen Preis wir bezahlen müssen, wenn wir diese Freiheiten zu spät verteidigen. 

THE CHANGE läuft jetzt im Kino!

 

Autor/-in: J.Leipnitz

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