In einem Land, das es nicht mehr gibt

Claudia Michelsen: „Ich bin ja so ein Ost-Mädel”

Claudia Michelsen, in der DDR aufgewachsen und nicht zuletzt mit Filmen über die DDR bekannt und beliebt geworden, hat es wieder getan: sie spielt in einem Film über die DDR mit. Aber...

Mit 53 ist Ku'damm-Star Claudia Michelsen eine der gefragtesten Schauspielerinnen Deutschlands und jetzt wieder im Kino zu sehen. Das Drama IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT lässt die DDR wieder auferstehen. Dabei geht Regisseurin Aelrun Goette aber einen ungewöhnlichen Weg. Ihr Film hebt weder den Zeigefinger, noch verklärt er:

 

 

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Anlässlich des Kinostarts ihres neuen Films lassen wir Claudia Michelsen zu Wort kommen... über das Glück, ein Kind in der DDR gewesen zu sein und über den Luxus des Älterwerdens.

„Ich war ein glückliches Kind.”

Als die Mauer fiel, war sie 20 Jahre alt. Zu dieser Zeit spielte sie an der Volksbühne in Ost-Berlin. In der Hauptfigur ihres neuen Films, der jungen Suzie, erkennt Michelsen ein Stück von sich selbst: „Vielleicht war ich auch ein bisschen wie Suzie damals."

„In der DDR aufgewachsen zu sein ist rückblickend, bei allem Kranken des Systems, nicht das Schlechteste gewesen. Das Miteinander war anders. Geld spielte keine Rolle. Nicht, weil wir es hatten, sondern weil es keinen Wert hatte.”

In gewisser Weise empfinde sie es als ein Geschenk, in der DDR groß geworden zu sein:

„Wir sind mit einer anderen Wertevorstellung aufgewachsen. [...] Man hatte das, was man brauchte und Schluss. Insofern, meine ich, ist es ein Geschenk gewesen."

 

Zoé Höche, Marlene Burow
IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

Für Künstler und Kulturschaffende wie Schauspieler war die DDR auch ein kreativer Motor:

„Es gab einen Widerstand. Es gab immer einen Inhalt, wo man hin will, wo man steht, was man nicht will. Der Staat, die ganze Situation.”

Welche Schaffenskraft aus diesem Widerstand erwachsen kann, zeigt IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT eindrücklich für die Welt der Mode.

 

IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

Aber, genau wie der Film, stellt auch Michelsen fest: 

„Freiheit hatte damals ihren Preis.”

 

Marlene Burow, Claudia Michelsen
IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

Das änderte sich mit dem Fall der Mauer. Plötzlich schien alles möglich. Claudia Michelsen erlebte die Wende allerdings mit gemischten Gefühlen:

„Anfang der 90er-Jahre war Berlin einfach schwer erträglich für mich. Ich konnte mich damals nicht zurechtfinden. Die Leute waren in Aufbruchsstimmung. Aber im Prinzip waren viele mit sich selbst beschäftigt und überfordert, wie geht das, freie Marktwirtschaft? Man musste sich neu sortieren."

Diese Situation und die Liebe bewogen Michelsen dazu, 1995 in die USA zu ziehen, wo sie bis 2001 lebte: „Amerika war sehr heilsam für mich, all die Jahre, die ich dort gelebt habe.”

Eine Karriere in Hollywood kam für Claudia Michelsen, die weiterhin in Deutschland drehte, allerdings nicht in Frage. Sie kümmerte sich lieber um ihre Tochter: 

„Billy Wilder sagte schon: ,It’s just another movie.' Die Vergänglichkeit auch von Ruhm …"

Ruhm spielte bei ihrer Berufswahl keine Rolle:

„Ich glaube, man sollte vor allem das tun, was einen glücklich macht, wofür man brennt. Das und nur das, dann ist alles möglich." 

Beruflich, aber auch in ihrem Privatleben treibt Claudia Michelsen vor allem Eines an:

„Neugier ist mein wichtigstes Tool. [...] Neugier ist für mich essentiell.” 

Der ständige Wandel, den sie als Schauspielerin durchlebt, reizt sie einerseits: „Ich kann mich sehr gut auf Neues einstellen.” Denn:

„Wenn wir aufhören an uns selbst zu arbeiten, bedeutet das Stillstand, Bewegungslosigkeit und eigentlich ein Ende.”

Gleichzeitig ist diese Unbeständigkeit auch eine der Schattenseiten der Schauspielerei:

„Es geht einem besser in diesem Land, wenn man fest angestellt oder gar verbeamtet ist. Aber was wären wir alle ohne die Kunst, ohne Musik, ohne das, was die Sinne und die Seele bewegt und inspiriert?”

Auch aufgrund ihrer sozialistischen Prägung ist die Ungewissheit, die das Arbeiten als Schauspielerin mit sich bringt, nicht einfach für Claudia Michelsen:

„Ich bin ja so ein Ost-Mädel. Die Verantwortung für Kinder zwingt einen in eine gewisse soziale Sicherheit. Ich bin ruhiger, wenn ich weiß, welche Arbeit ansteht, als wenn ich so gar nicht weiß, was die Zukunft bringt. Und wir sind auf dem freien Markt. Da ändern sich Dinge und Moden schnell.”

Aber auch damit weiß sie umzugehen:

„Das Leben ist ein Auf und Ab, wie wir alle wissen, und solange wir das umarmen können, ist alles in Ordnung.”

Umarmen kann Claudia Michelsen auch das Älterwerden, mit dem sie kein Problem hat.

Im Gegenteil, ihr Alter empfindet Claudia Michelsen als Privileg:

„Vielleicht wird man auch demütiger mit den Jahren. Kleinere Dinge sind mehr wert. Ich finde Älterwerden ja großartig. Man merkt, was einem wichtig ist und was einen antreibt. Man kann aussieben, womit man sich nicht mehr beschäftigen will, weil es einem nicht guttut. Das ist doch Luxus! So ein kleines Stück Weisheit küsst einen … .”

Zu dieser Weisheit gehört für Claudia Michelsen auch die Offenheit gegenüber der jüngeren Generation, die u.a. eine neue, gendergerechte Kultur fordert:

„Ich sehe es als eine gesunde Phase, dass alles irritiert werden muss. Bei vielem stimme ich zu,[...] wir Älteren sind jetzt gefragt, mit Toleranz damit umzugehen. Es ist ihre Freiheit, jetzt so zu sein. Jeder muss sein Gestern erleben.”

In IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT erlebt Claudia Michelsen ein Stück ihres ganz persönlichen Gesterns, indem auf der Leinwand die DDR in erstaunlichen Bildern wieder zum Leben erweckt wird. Das Drama läuft jetzt im Kino.

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Marlene Burow
IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

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