THE CHANGE

Die Kunst des Erwachsenwerdens – Das ist Diane Lane

THE CHANGE, Rechte bei Tobis, Foto: Owen Behan
THE CHANGE, Rechte bei Tobis, Foto: Owen Behan

Sie war ein Wunderkind, das fast verschwand, und kam als Frau zurück, die niemand mehr übersehen konnte. Wie Diane Lane vom Teenie-Star zur Charakterdarstellerin wurde.

DIANE LANE ist in diesem Jahr 60 geworden, aber bereits seit über 50 Jahren Schauspielerin. Fünf Jahrzehnte ohne Skandale und Schlagzeilen. Eine Karriere, die alles beinhaltet: Teenager-Komödien, Coming-of-Age, Action, Liebes- und Familiendramen, wie aktuell auch Jan Komasas dystopisches Zukunftsszenario THE CHANGE.

 

Es gibt Kinder, die wirken auf der Bühne, als seien sie dort geboren worden. Diane Lane war so ein Kind. Bereits mit sechs Jahren spielte sie im La MaMa Theatre, einer anarchischen Off-Broadway-Schule, in der alles erlaubt war – nur keine Langeweile. Sie spielte, improvisierte und ging bald bereits auf Welttournee. Eine kurze, aber intensive Kindheit, die schon früh vom Scheinwerferlicht begleitet wurde.

Denn schon ihre ersten Lebensjahre verlaufen turbulent: Ihr Vater ist Schauspiellehrer in Manhattan und leitet einen Schauspielworkshop mit John Cassavetes. Hauptberuflich aber jobbt er als Taxifahrer. Dianes Mutter ist eine Nachtclub-Sängerin und Ex-Playmate.

Als die kleine Diane 13 Tage alt ist, trennen sich ihre Eltern. Die Mutter geht nach Mexiko, lässt sich scheiden. Diane und ihr Vater wechseln oft die Wohnung, und sie fährt mit ihm in seinem Taxi. Die beiden haben viel Zeit, um über Schauspielerei zu sprechen und er versichert ihr, dieser Beruf sei „besser als der Kindergarten“. Das Theater war Schule, Zuflucht und Zuhause. Mit 12 spielte sie in New York mit Meryl Streep in Tschechows DER KIRSCHGARTEN, als sie 14 war, kam ihr Filmdebüt ICH LIEBE DICH - I LOVE YOU - JE T'AIME mit Laurence Olivier heraus, der sie zur „neuen Grace Kelly“ ernannte.

 

In diesem Alter auf dem Titel des Time Magazine zu stehen, ist ein früher Ritterschlag – und kann eine Bürde werden. Hollywood liebt Wunderkinder, begleitet sie aber selten verantwortungsvoll durchs Erwachsenwerden. Diane Lane erfährt das früh: Nach den gefeierten Anfängen folgen Jahre des Suchens. Sie spielt zunächst in den stilisierten Jugendfilmen DIE OUTSIDER (1983) und RUMBLE FISH (1984) für Francis Ford Coppola und gilt als eines der heißesten Talente auf des Jahrzehnts.

 

 

Insgesamt vier Mal wird sie für Coppola vor der Kamera stehen, doch nach der kommerziellen Enttäuschung des künstlerisch hoch geachteten Jazz- und Gangster-Epos‘ THE COTTON CLUB (1984) werden die Engagements plötzlich rar.

 

Diane Lane nahm es wohl gelassen. Wo andere Kinderstars sich in Ausschweifungen und Angst um den frühen Ruhm verloren, blieb sie stets bodenständig.

An ihrem 18 Geburtstag habe sie „Wäsche gemacht, es war einfach ein ganz normaler Tag “, sagte sie seinerzeit in Johnny Carsons „Tonight Show“. Genau diese patente Nahbarkeit ist es, die Diane Lane bis heute auszeichnet.

Während andere Stars ihrer Generation über die roten Teppiche liefen, zog sich Lane zurück. Sie war bereit für komplexe, erwachsene Rollen – noch bevor Hollywood bereit war, sie ihr zu geben. Sie drehte fürs Fernsehen, spielte wieder Theater, versuchte, im Lärm der Branche einen Platz für sich zu finden. 1989, mit der Western-Miniserie LONESOME DOVE, fand sie ihn – und erhielt eine Emmy-Nominierung. Es war das stille Comeback einer Schauspielerin, die plötzlich nicht mehr das Mädchen war, das alle sehen wollten, sondern die Frau, als die sie sich selbst sehen wollte.

Kein Wunder, dass auch ihre Ehe mit Darsteller Christopher Lambert (HIGHLANDER, TARZAN, SUBWAY) ohne große Schlagzeilen verlief, aber 1994 auch ebenso endete. Das gleiche galt für vorherige Love Interests wie Timothy Hutton oder Jon Bon Jovi, die bis heute als sympathische Fußnoten gelten, sowie die spätere, ebenfalls geschiedene Ehe mit Josh Brolin.

In den 1990ern pendelte sie zwischen den Genres: Thriller, Dramen, Romanzen, immer professionell gespielt, aber nie der große Durchbruch. In Hollywood wusste man offenbar nicht recht, in welche Schublade man sie stecken sollte: zu schön für Charakterrollen, zu ernst für den Mainstream. Bis Wolfgang Petersons DER STURM (2000) ihr Comeback an der Seite von George Clooney und Mark Wahlberg einläutete.

 

Dann kam UNTREU (2002): eine Frau, eine Ehe (mit Richard Gere) ein Seitensprung (mit Olivier Martinez), ein Mord – und eine Schauspielerin, die in jeder Sekunde dieses Films zeigt, dass Begehren und Schuld keine Gegensätze sind.

 

Wie oft in den Filmen von Adrian Lyne (FLASHDANCE, 9 ½ WOCHEN, EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFAIRE) hatten die Intimitätskoordinatoren auch in diesem Chabrol-Remake alle Hände voll zu tun. Doch Diane Lanes vielschichtige Darstellung markierte einen Wendepunkt in ihrer Karriere und machte sie zu einer Leading Lady. UNTREU riss die Zuschauer:innen so sehr mit, dass manche nicht mehr zwischen Person und Rolle unterschieden, erzählte sie in einem Interview mit Conan O’Brien.

„Manche Frauen klopften mir auf die Schulter und sagten: ‚Ja, wir zeigen es den Männern!‘. Andere Leute fragten mich entsetzt: ‚Wie konntest Du?‘ Oder riefen über die Straße: ‚Hure!‘“

Die Oscar®-Nominierung folgte, aber wichtiger war etwas anderes: Die Anerkennung als Charakterdarstellerin.

Ein Jahr später spazierte sie bereits UNTER DER SONNE DER TOSKANA (2003), diesmal ihrerseits als betrogene Ehefrau, die bei einer Rundreise eine Villa in Italien entdeckt und für einen Neuanfang renoviert.

 

In den folgenden Jahren wählt sie ihre Rollen mit Bedacht: Mütter, Geliebte, Überlebende – immer mit jener stillen Kraft, die nicht aus Glamour, sondern aus Lebenserfahrung kommt. In Zack Snyders MAN OF STEEL (2013) ist sie Martha Kent, die Mutter von Superman – und sie verleiht dieser Figur eine Wärme, die den Mythos menschlich macht.

In PARIS KANN WARTEN (2017), dem späten, warmherzigen Spielfilmdebüt von Francis Ford Coppolas Frau Eleanor, ergibt sich abermals eine verlockende Gelegenheit für einen französischsprachigen Zeitvertreib.

 

In dem Neo-Western LET HIM GO (2020) schließlich, an der Seite von Kevin Costner, zeigt sie eine stille Verzweiflung, die zur Stärke wird. Es ist die Diane Lane der späten Jahre: reif, cool, in sich ruhend.

 

Auch in den aktuellen Streaming-Erfolgen EIN GANZER KERL oder FEUD (beide 2024) sehen wir Diane Lane auf der Höhe ihres Könnens.

 

Die Welt hat ihr beim Erwachsenwerden zugeschaut. Und selbst heute sagt Diane Lane: „Ich lerne immer noch.“ Diane Lane ist mit den Jahren nicht zum wandelnden Klischee versteinert, sie verkörpert Frauen, die fühlen, scheitern, weitergehen. Heute, mit sechzig, strahlt sie eine Gelassenheit aus, die auf ihrem vielleicht größter Triumph basiert: dass sie Hollywood überlebt hat, ohne sich anzupassen.

 

Und nun THE CHANGE: Jan Komasa zeigt in seinem englischsprachigen Debüt die Ausbreitung einer faschistoiden Ideologie in scheinbar gefestigten Kreisen. Ein ebenso düsterer wie erhellender Blick in eine Zukunft, die gerade von der Realität eingeholt zu werden droht.

THE CHANGE startet am 6. November in den deutschen Kinos.

Autor/-in: A. Smithee

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