In einem Land, das es nicht mehr gibt

Frank Schäfer – Noch immer chic, charmant und dauerhaft

Frank Schäfer
Frank Schäfer, Foto: Sabin Tambrea

Man muss Frank Schäfer erleben, ihm auf die Finger und in die dunkel geschminkten Augen schauen, auf seine Gesten achten. Am besten direkt in seiner Wirkungsstätte, dem Frisiersalon „Frank & Amanda“ im Berliner Prenzlauer Berg – oder zumindest in seine Welt eintauchen, die als bisher kaum gekannter Teil der DDR im neuen Kinofilm IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT das Licht der großen Leinwand erblickt. 

Um Frank Schäfer zu begegenen, müsste man sich einen Termin besorgen und das Haupthaar richten lassen, in dem kleinen, schmalen Laden, an dessen Wänden kein Zentimeter mehr frei ist. Alles (eindrucks-)voll mit Plakaten, Fotos, Erinnerungsstücken, Collagen, Puppen, Lämpchen, Girlanden – „Zeuch“ eben, mit dem Frank Schäfer etwas Persönliches verbindet. Selbst die Spiegel sind nicht frei davon, die sowieso nicht! Aber: „Aussichtslos“, sagt Schäfer. „Wir arbeiten nur mit Stammkunden. Montags, mittwochs, freitags, dann aber von 8 bis 22 Uhr durch ohne Pause.“ Gut, dass das mit der Frisur schon vor dem Besuch erledigt war. „Hinten etwas zu kurz“, kommentiert Frank Schäfer. Wenn er es sagt ...

„Ich finde, alt zu werden, nicht schlimm. Aber alt zu werden ohne vorheriges Leben, das finde ich doof. Ich habe sehr doll gelebt und ich fand es richtig.“

 

Es geht parlierend sehr schnell hinein in dieses dolle Leben, wenn man Frank Schäfer trifft, um sich mit ihm über die Jahre, die Erinnerungen und das, was ist, zu unterhalten. Sofort fällt auf, dass ihm die in der Szene gar nicht so untypische Konservierungsmentalität völlig abgeht.

„Ich kann mir die DDR eigentlich nicht mehr vorstellen und mich gleich gar nicht mehr in sie einfühlen. Das ist mir zu lange her. Ich weiß um meine Erlebnisse und hatte eine sehr schöne Jugend, deshalb verbinde ich viel Positives mit dem Land. Ich war nie jemand, der beim Wein die ganze Nacht über Ost und West, den Sozialismus und die Regierung diskutiert hat, den Glauben an ein System habe ich auch nicht gekannt. 1988 bin ich von Ost- nach Westberlin gegangen, das war gut so. Mein Weg war in der DDR zu Ende, ich wollte sehen, ob es bei mir nur für die DDR reicht oder für die ganze Welt.“

Und, hat es?

„Ja, schon! Ich habe mir das immer extrem schwierig vorgestellt, im Westen als Friseur zu arbeiten. Man müsse drei Sprachen sprechen und so was. Im Osten hatte ich viel Glück und alles, wirklich alles, was ich erlebt habe, hat mir geholfen. Die dramatischen Sachen waren sogar noch die besten dabei. Sie haben mich populär gemacht und zum Nachdenken gebracht.“

Frank Schäfer ist der ältere von zwei Söhnen des in der DDR extrem beliebten Schauspielers Gerd E. Schäfer. Als Kind sagt man Frank eine gewisse musikalische Begabung nach, er kann Partituren lesen und passabel Klavier spielen, will aber nicht an die Instrumente, sondern den Taktstock, also Dirigent werden. In der Zehnten fliegt er von der Spezialschule, er hat zum Klassentanz eine Langspielplatte der britischen Rockband Sweet angeschleppt.

„Das war super, denn ich bin dann über Umwege Friseur geworden. Nicht etwa, weil ich Haare so schön fand, sondern weil ich dachte, dass Friseure nicht viel machen, nur rumstehen und quatschen.“

 

Sabin Tambrea
IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

Für die Eltern blieb die Welt stehen, für den Sohn begann sie sich schneller zu drehen.

Vater Schäfer ließ dann doch noch alle seine Kontakte spielen, damit sich die Karriere des Sohnes wenigstens halbwegs lesen lassen könnte, brachte ihn an der Staatsoper Berlin unter mit dem Ziel, nach einer Schneiderlehre und einem Modegestalterstudium dort als Kostümbildner fest anzufangen. Lehre und Studienzeit bedeuteten für Frank Schäfer allerdings auch Zündstufe eins fürs „dolle Leben“ - weg von daheim, Partys. Was kostet die DDR? Ein praktisches Jahr beim Fernsehen brachte ihm Ernüchterung, war

„eine ganz furchtbare, traurige, entsetzliche Zeit mit Hierarchien, Warten, Kaffeetrinken. Aber ich kam als schlechtester Volontär zum Modefilm. Dort war alles anders, viel moderner, man hatte einen Sinn für Zeitgefühl und also auch für mich. Ich begann damit, die Mannequins zu schminken und zu frisieren, wurde immer mehr zum Maskottchen und wie aus dem Nichts zum bekanntesten Visagisten der DDR. Dabei gab es das als Beruf gar nicht offiziell, was mich überhaupt nicht gestört hat.“

Es gäbe da so einen jungen Mann, hieß es bald auch bei Exquisit, dem Modeinstitut und bei Sibylle-Modenschauen.

 

Sira Topic
IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

Die Achtziger, Frank war Anfang 20, konnten beginnen!

Und sie begannen mit einer Freundschaft, die bis heute hält, jener zu Fotograf Sven Marquardt. Weshalb sie hält, obwohl die Treffen rarer geworden sind?

„Unsere Freundschaft macht ein klares Verständnis für die Gedanken des anderen aus. Eine gemeinsame Form von Humor auch. Wir begreifen den anderen.“

Damals ging es für beide mitten hinein ins Off, Gruppen wie ccd wurden immer wichtiger, ebenso die Kontakte zu freien Geistern mit zügellosen Ideen.

 

Sabin Tambrea
IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

Schäfer blieb im Hauptberuf Friseur, wurde aber parallel bei ccd Model wie Maskenbildner.

„Ich war bis dahin geprägt von Exquisit und Modeinstitut, da war das dann schon krass. All die Auftritte mit ccd, die Touren im Land, wo sie uns wie Superstars behandelt und an den Sachen gezerrt haben, einfach hungrig waren auf uns. Aber ich war dort nie im innersten Zirkel. Für andere war ccd eine Ersatzfamilie, für mich waren es eher Ausflüge.“

Frank Schäfer weiß genau, dass er auch zur Projektionsfläche für die Träume der anderen wurde. Weil er sich jede Freiheit genommen hat zu sein, was er war, auszusehen, wie er aussehen wollte und sich nie vor seinem eigenen Ziel weggeduckt hat, berühmt und populär zu werden.

„Ich wollte als Jugendlicher immer Tänzer sein, aber ich war zu faul, zu unsportlich, ich hätte das nicht durchgehalten, ich wollte sofort im Mittelpunkt stehen, die Treppe runterlaufen und fertig. Meine künstlerische Ader habe ich eher unterdrückt. Ich war gern mit mir beschäftigt, habe nie an einer Karriere gefeilt oder war dem Konsum verpflichtet. Kein Angebot war mir zu reizvoll, um von diesem Weg abzuweichen. Ich bin wohlhabend groß geworden, aber bestechlich war ich nie. Ich hatte mit zwölf vielleicht schon eine goldene Uhr, aber eine Plasteuhr fand ich schärfer. Und ich war unabhängig.“

Es mag zunächst etwas verstören, wie Schäfer in diesem Zusammenhang auch von den Konfrontationen mit der Staatsmacht spricht, von Festnahmen wegen „visueller Auffälligkeit“ im Mindesten:

„Natürlich hatte ich anfangs Angst. Dann habe ich aber schnell gemerkt, wie wichtig es ist für mich. Nicht verhaftet worden zu sein, fand ich schlimmer. Dann wäre ich auf meiner sozialen Leiter nicht so hoch gekommen. Wenn man mich nach einem Schaufrisieren einkassiert hat, war es schon irgendwie der krönende Abschluss, ich konnte das sehr gut einschätzen. Es war nicht hart, ich war ein flottes Jüngelchen. Ich habe sehr darauf geachtet, die gängigen Symbole nicht zu verwenden, kein Sticker mit ,Schwerter zu Pflugscharen’, nix, kein ,Fuck-you-Honecker’. Ich wusste, wo ich lebte. An Verweigerung oder Trotzhaltung war ich nie interessiert. In der Zelle noch dem Beamten hinterherzurufen, dass er ein doofer Bulle ist, wäre Kinderkram gewesen. Er hätte darüber gelacht und das habe ich gewusst.“

Frank Schäfer hätte schon früher in den Westen gehen können.

„1983 hätte ich einen Ausreiseantrag stellen können, aber es wäre ohne Verstand gewesen und unklug. Ich fand den Westen nicht begehrenswert. Aber ich habe dann mit 28 gemerkt, wie ich langsam satt werde, Allerleirauh hatten sich gegründet, ich war zwar dabei, aber es war anders dort."

Schäfer staunt noch heute über sich selbst, als er von seinem raffinierten Plan erzählt, sich ein Visum für Westberlin zu besorgen. Von SED-Frauen und deren Frisuren ist die Rede,von List und Dummstellen, einer Heiner-Müller-Inszenierung als Gastspiel, von dem er 1988 nicht wiederkehrt.

„Ich hatte mir vorgenommen, dass ich, wenn ich in den ersten fünf Tagen keinen Job bekomme, zurückgehen und einen auf verwirrt machen würde. Ich hatte aber schon am ersten Tag einen Job. Dann musste ich sehr schnell sehr viele reife Männer kennenlernen, die wichtig waren in der Szene. Ich hatte ein paar billige Osttricks drauf, um den Westen zu erobern, das war leichter als gedacht. Ich war schnell wieder in der Modeszene drin und die war kleiner als gedacht. Im Osten hat man anders geschminkt als im Westen, dort hat man zugedeckt, im Osten hat man es farbiger gemacht.

 

Marlene Burow, Sabin Tambrea
IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, Rechte bei Ziegler Film/Tobis/Foto: Peter Hartwig

„Ich habe es gelernt, kapiert und umgesetzt. Jeder kleine Sieg hat mir Spaß gemacht.“

Frank Schäfer spricht ohne Häme, nie überdreht und in sich ruhend. Er verklärt genauso wenig wie er richtet und ist dennoch glasklar, wenn es um Verlogenheit, Banalität, Meckerei, Vereinnahmung, Missgunst und das Trügerische an in Stein gemeißelten Deutungen von Vergangenheit geht. Auch wenn einige zu schnell „Fränkie“ sagen. Schlussendlich geht es um Philosophie, die seiner Frisierkunst zum Beispiel und wie wichtig es ist, wo sein Salon sich befindet, nachdem er schon halb Berlin „durchmessen“ hat.

„Ich bin gern hier, ich mag den Prenzlauer Berg und die Schönhauser Allee, könnte mir den Laden aber auch in Lichtenberg vorstellen, in Steglitz oder Friedrichshagen nicht, aber in Charlottenburg. Dort, wo es berlinisch ist. Ich liebe das Kiezgefühl, egal ob in Ost oder West, will aber kein szeniges Publikum haben. Heute kommen 50 Prozent Westkunden hier her. Ich finde die nett, aber ich mache keinen Hehl aus meiner Meinung. Hier herrscht mein eigener Ton. An Erklärereien habe ich mich nie beteiligt, konnte immer sagen, was ich denke. Wir haben hier im Salon unsere Prinzipien und das finden die Leute gut. Sie können uns vertrauen, wir wollen nichts verkaufen. Wir verstehen die Kunden in dem, was sie mit sich und ihrem Kopf wollen. Ein Friseurladen ist keine Modenschau.“

Sagt’s und schnappt sich den Hund aus dem Körbchen. Frank Schäfer, das Original!

Der Film IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT, in dem Sabin Tambrea eine von Frank Schäfer inspirierte Rolle spielt, läuft jetzt im Kino.

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Autor: Andreas Körner

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