War Mohamedou Ould Slahi einer der Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September? Oder wurde er zum Opfer der blinden Verfolgungswut U.S.-amerikanischer Behörden, denen im Kampf gegen den Terror jedes Mittel recht ist?
Der Film DER MAURETANIER findet darauf eine Antwort. Der Politthriller zeigt das unglaubliche Schicksal des Westafrikaners Mohamedou Ould Slahi, der 14 Jahre im Gefängnis Guantanamo einsaß, verhört und gefoltert wurde, ohne jemals angeklagt worden zu sein.
Im Making-Of zum Film kommen die realen Vorbilder und die Stars Jodie Foster und Benedict Cumberbatch zu Wort und verraten, was DER MAURETANIER so besonders macht. Direkt unter dem Video erfährst du alles über die wahre Geschichte hinter dem Film.
Mohamedou Ould Slahi schrieb in seiner Haft Tagebuch, welches noch vor seiner Entlassung als „Guantanamo Diary” veröffentlicht und zu einem internationalen Bestseller wurde. Regisseur Kevin Macdonald („Der letzte König von Schottland") verfilmte das Buch mit Jodie Foster, Benedict Cumberbatch und Tahar Rahim in der Hauptrolle. Das ist die wahre Geschichte hinter dem Film DER MAURETANIER...
„Egal, wie dramatisch diese Szene ist, die Realität war dramatischer als das.” - Regisseur Kevin Macdonald
1997 und 1998 bekommt Mohamedou Ould Slahi Telefonanrufe von seinem Cousin, einem engen Vertrauten Osama bin Ladens. 1999 besucht er die gleiche Moschee wie ein Al-Qaida Mitglied, das am „Millennium-Plot" - einem geplanten Bombenattentat auf den Flughafen von Los Angeles - beteiligt ist. Und er stand während seines Studiums in Duisburg (als begabter Schüler erhielt Slahi ein Stipendium) in Kontakt mit Mudschaheddin-Gruppierungen. Das alles sieht nicht gut aus für Slahi. Er gibt offen zu, 1991 und 1992 im Glauben an den gerechten Freiheitskampf gegen die kommunistische Regierung für die Al-Qaida in Afghanistan gekämpft zu haben. Ein Kampf, wohlgemerkt, den die USA unterstützten.
Mohamedou Ould Slahis Vergangenheit wird ihm zum Verhängnis. Colonel Morris Davis, einst Chefankläger in Guantanamo, beschreibt Slahis Situation so:
„Er erinnerte mich an Forrest Gump, insofern als dass es einige bemerkenswerte Ereignisse in der Geschichte von Al-Qaida und des Terrors gab und bei allen war Slahi irgendwo im Hintergrund dabei.”
Die Verdachtsmomente veranlassen die US-Behörden, die sich nach den Anschlägen vom 11. September im gnadenlosen Krieg gegen den Terror befinden, dazu Mohamedou Ould Slahi in seiner Heimat Mauretanien immer wieder zu verhören. Slahi, der im Film vom Franzosen Tahar Rahim gespielt wird, ist sich keiner Schuld bewusst und kooperiert.
2001, zwei Monate nach den Anschlägen auf das World Trade Center, wird Slahi verhaftet, mit rechtswidriger Unterstützung der mauretanischen Behörden nach Jordanien entführt und über Afghanistan nach Guantanamo Bay verschleppt. Bis er dort ankommt, hat er bereits etliche Stunden Folter hinter sich.
Doch das ist erst der Beginn seines Martyriums. Die US-Regierung will an Slahi ein Exempel statuieren: der Militärstaatsanwalt Stuart Couch (im Film gespielt von Benedict Cumberbatch) ist auf die Todesstrafe aus.
Da Slahi als einer der gefährlichsten Terroristen und Drahtzieher der Anschläge gilt, gehen die US-Behörden den Mauretanier hart an. Immer wieder wird er gefoltert, um ein Geständnis aus ihm herauszupressen. Interne Dokumente von Guantanamo zeigen: keiner der 780 Insassen musste mehr Folter erdulden als Mohamedou Ould Slahi.
Zu den sogenannten „erweiterten Verhörmethoden” gehören Schlafentzug, tagelange Isolation, Schläge, inszenierte Hinrichtungen und Waterboarding. Weibliche Wachen schrecken selbst vor sexuellem Missbrauch nicht zurück. Vor allem aber die Drohung, seine geliebte Mutter in Guantanamo einzusperren, veranlasst Slahi dazu, Geständnisse abzulegen, für die es keinerlei Beweise gibt. Colonel Morris Davis selbst muss zugeben:
„Es gibt absolut keine Beweise, dass Mohamedou jemals an feindlichen Aktivitäten gegen die USA beteiligt war."
Ein Hoffnungsschimmer erscheint dem bereits seit 4 Jahren ohne Anklage Inhaftierten 2005 in Gestalt der Menschenrechtsanwältin Nancy Hollander (im Film gespielt von Oscar-Preisträgerin Jodie Foster), die Slahi ein faires Verfahren ermöglichen will.
Ihr unermüdliches Engagement gegen die US-Behörden, die ihre Arbeit blockieren, wo sie nur können, erreicht schließlich eine Anhörung vor Gericht. 2010 darf Slahi aussagen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich Slahis Ankläger Couch bereits aus dem Prozess zurückgezogen, nachdem ihm die Methoden, mit welchen die Geständnisse erzwungen wurden, bekannt geworden waren.
Auch der Richter sieht keine Grundlage für eine Anklage. Er ordnet die Freilassung von Mohamedou Ould Slahi an. Die US-Regierung von Obama legt jedoch Widerspruch ein und es dauert weitere 6 Jahre, bis Slahi endlich, u.a. unterstützt von Amnesty International, 2016 ein (relativ) freier Mann ist.
Wenn du mehr darüber wissen willst, wie Amnesty International an der Freilassung Slahis beteiligt war und was die Organisation über DER MAURETANIER denkt, dann klick hier.
Trotz all der Pein bewahrte sich Mohamedou Ould Slahi (hier links neben Regisseur Kevin Macdonald) einen unverwüstlichen Sinn für Humor.
Dass er nicht verbitterte, beeindruckt Jodie Foster, die für ihre Rolle in DER MAURETANIER einen Golden Globe gewann, zutiefst:
„Diese Haltung ist bewundernswert. Es muss ihn viel Kraft gekostet haben, sich nicht brechen zu lassen in diesem System der Ungerechtigkeit, in dem er gefoltert und gequält wurde.”
Obwohl Mohamedou Ould Slahi jedes Recht dazu hätte, mit seinem Schicksal zu hadern, sieht er sein Martyrium erstaunlich gelassen:
„Ich war einfach das Opfer der Laune eines Präsidenten und einer Kolonialmacht. [...] Ich bin nicht wütend. Ich habe mich von Wut trennen lassen, weil Wut eine sehr vergiftende Sache ist.”
Mit einem seiner ehemaligen Wachen verbindet ihn bis heute sogar eine tiefe Freundschaft. Der U.S.-Amerikaner Steve Wood besucht Mohamedou Ould Slahi regelmäßig in Mauretanien.
Foster lernte den „echten” Mauretanier bei den Dreharbeiten kennen und empfindet eine tiefe Bewunderung für ihn:
„Ich würde mir wünschen, etwas in der Art von Mohamedou in mir zu finden.”
Und Mohamedou Ould Slahi braucht auch weiterhin viel Geduld, denn aktuell lässt Deutschland, das ganze 11 Jahre seines Lebens seine Heimat war, ihn immer noch nicht einreisen. Auch der Premiere von DER MAURETANIER auf der Berlinale durfte er nicht beiwohnen. Seine Frau Kitty, eine US-amerikanische Anwältin, die er in Guantanamo kennenlernte und mit der er einen kleinen Sohn hat, lief an der Seite von Nancy Hollander und des Berlinale-Chefs Carlo Chatrian über den roten Teppich.
Vollkommen frei ist Mohamedou Ould Slahi also immer noch nicht:
„Ich würde mich erst als freier Mensch fühlen, wenn ich mit meiner Familie in Deutschland zusammen sein kann, meinen Sohn Ahmed jeden Tag zur Kita fahre und einfach für meine Familie da sein kann.”
Noch immer kämpft Nancy Hollander für die Rechte ihres Mandanten. Bei ihrer Rede zur Premiere von DER MAURETANIER auf der Berlinale wandte sie sich an die deutschen Behörden, die Slahi immer noch für verdächtig halten:
„Die US-Regierung hat 30 Millionen Dollar ausgegeben, um diese Verdächtigungen zu untersuchen. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass er unschuldig ist. Andernfalls hätten sie ihn nicht freigelassen."
Schließlich appelliert sie an die deutsche Regierung:
„Mohamedous Sohn ruft nach seinem Papa. Er braucht ihn hier, er sollte bei ihm in Deutschland sein. Also bitte ich..., ich fordere, dass Deutschland das Richtige tut. Dass es für Menschenrechte steht, nicht gegen Rechtsstaatlichkeit, sondern für die Rechtsstaatlichkeit steht [...] und dass es ihm sein Visum für eine Familienzusammenführung bewilligt."
Vielleicht kann DER MAURETANIER dazu beitragen. Denn der Film zeigt Mohamedou Ould Slahi als Menschen, dem großes Unrecht widerfahren ist und dem etwas Außergewöhnliches gelungen ist. Etwas, was Regisseur Kevin Macdonald als wichtige Botschaft des Films mit auf den Weg geben will:
„Wenn es jemals eine Zeit gab, in der wir lernen müssen, auch die Menschlichkeit auf der anderen Seite zu sehen, dann ist das genau jetzt.”
Bis heute sitzen noch 40 muslimische Männer in Guantanamo ein, von denen ein Großteil nie angeklagt wurde.
Autor/-in: J.Leipnitz