Er wird schon seit 30 Jahren für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Doch er denkt nicht im Mindesten daran, aufzuhören. Als enorm wandlungsfähiger Schauspieler, Regisseur und Produzent überrascht Robert De Niro uns immer wieder neu. So auch in der Rolle des (ausnahmsweise netten) Großvaters in EZRA - EINE FAMILIENGESCHICHTE.
Es ist kaum möglich, die mehr als 130 Rollen des zweifachen Oscar®-Preisträgers vollständig zu nennen, oder die vielen Genres zu erfassen, in denen er glänzte. Aber eins ist sicher: Die Rolle in EZRA - EINE FAMILIENGESCHICHTE über einen Jungen mit Autismus-Spektrum-Störung ist für De Niro, der sein Privatleben für gewöhnlich vor der Öffentlichkeit abschirmt, eine Herzensangelegenheit: Er kennt eine solche Diagnose in der eigenen Familie, denn sein 1998 geborener Sohn Elliot ist Autist, wie De Niro 2016 enthüllte.
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Doch die Filmwelt denkt an Robert De Niro zuerst in seinen Rollen in großen Mafia-Epen, als Psychopathen, der an der modernen Welt verzweifelt, oder auch – nahtloser Übergang zum Komödienfach – als Kriminellen mit angeknackster Psyche, als heimtückischen Schwiegervater oder als sozial nicht immer kompatiblen Grandpa. Robert De Niro scheint mit unerschöpflicher Inspiration gesegnet. Hier einige Highlights einer sechs Jahrzehnte umspannenden Karriere.
Sein Wunsch stand schon immer fest. Als der kleine Robert mit 10 Jahren sagt, dass er Schauspieler werden will, wundert das kaum jemanden. Seine Eltern bestärken ihn in diesem Wunsch. Robert De Niro Sr. und seine Frau Virginia Admiral sind Künstler, sie leben im New Yorker Stadtteil Greenwich Village, damals das Zentrum der Hipster- und Beatnik-Szene. Sie sind befreundet mit Schriftstellern wie Henry Miller und Tennessee Williams. De Niro Sr. gilt heute als einer der wichtigsten Maler des abstrakten Expressionismus in den USA.
Als Robert jr. zwei Jahre alt ist, verkündet der Vater, dass er Männer liebt. Trotz der Trennung der Eltern bleiben Vater und Sohn eng verbunden und wohnen nicht weit voneinander in Manhattan. Doch Robert juniors Wunsch lässt sich Zeit mit der Erfüllung. Seine Mitschüler nennen ihn wegen seiner blassen Erscheinung „Bobby Milk“, er zieht mit Straßengangs herum, Studium für seine späteren Rollen. Mit 16 bricht er die Schule ab und verdient seine erste Gage auf der Bühne. Schauspielen hilft ihm, seine Schüchternheit zu überwinden. Aber es liegt noch ein langer Weg vor ihm, ehe er ins Studio der Schauspiellehrerin Stella Adler findet. Adlers Methode, die heute wie die des ähnlich gelagerten Lee Strasberg als „Method Acting“ bezeichnet wird, hat auch schon De Niros Idol Marlon Brando zum Durchbruch verholfen. Es geht um größtmöglichen Naturalismus, um das Einswerden mit der Rolle.
„Während der Dreharbeiten zu BLOODY MAMA (1970) habe ich die Mittagspause in einem Grab verbracht. Wenn du jünger bist, hast du das Gefühl, dass du das tun musst, um in deiner Rolle zu bleiben.“ - Robert De Niro
Erste Rollen in Filmen von Brian De Palma bringen De Niro jedoch noch nicht die verdiente Beachtung. Erst als ihn ein anderer Italo-Amerikaner entdeckt, startet er durch: Martin Scorsese. Die beiden sind nur ein paar Blocks voneinander entfernt aufgewachsen, ohne sich zuvor begegnet zu sein. De Niro ist 30, Scorsese 31, als HEXENKESSEL (1973) entsteht, Scorseses erster Mafiafilm.
Doch es ist DER PATE – TEIL II (1974) des ebenfalls italo-amerikanischen Regisseurs Francis Ford Coppola, mit dem De Niro ruckartig auf den ersten Karriere-Höhepunkt katapultiert wird. Es dauert noch einmal zwei Jahre, bis De Niro als Taxifahrer und traumatisierter Vietnamveteran Travis Bickle in Scorseses TAXI DRIVER (1976) den Finger in die Wunden der Zeit legt.
„Jahre später erkennen Leute in Autos dich auf der Straße und rufen: ,Du redest mit mir?' Aus irgendeinem Grund traf es einen Nerv.“ - Robert De Niro
Ein bis heute schwer erträgliches Psychogramm. Seit TAXI DRIVER ist in Deutschland eine markante Stimme untrennbar mit Robert De Niro verbunden, die des – ebenfalls gleichaltrigen – Synchronsprechers Christian Brückner.
In WIE EIN WILDER STIER (1980) zeigt De Niro, wie ernst ihm das Method Acting ist. Für die Rolle des Boxers Jake La Motta nimmt er 31 Kilo zu – und seinen zweiten Oscar® entgegen. Fatsuit, was ist das?
Seine Bereitschaft zum vollen Körpereinsatz zeigt De Niro später erneut mit extremem Bodybuilding für KAP DER ANGST (1991). Zudem zahlt er für die Rolle des Psychopathen Max Cady einem Zahnarzt 5.000 Dollar, um seine Zähne angemessen schlecht aussehen zu lassen – und nach den Dreharbeiten weitere 20.000, um sie wieder herrichten zu lassen. Außerdem lässt er sich mit Pflanzenfarben tätowieren, die erst nach einigen Monaten verblassen. Und immer wieder die Mafia. In ES WAR EINMAL IN AMERIKA (1984) spielt er den größenwahnsinnigen Gangsterboss Noodles. Das filmische Vermächtnis des, pardon, Spaghetti-Western-Spezialisten Sergio Leone, wird später noch einmal von Martin Scorsese restauriert und auf über vier Stunden verlängert.
Auch als Al Capone in Brian De Palmas THE UNTOUCHABES (1987), in GOODFELLAS (1990) und CASINO (1996), beide unter der Regie von Scorsese, präsentiert De Niro Sternstunden des Mobstertums.
Teure Anzüge, viele Zigaretten, viele Leichen. Robert De Niro führt zweimal selbst Regie, einmal 1993 bei IN DEN STRASSEN DER BRONX und 2006 bei DER GUTE HIRTE, einer fiktiven Geschichte über die Gründung der CIA. Doch dann macht er im Jahr 1999 einen überraschenden Move: Er lässt sich von seiner eigenen Produktionsfirma Tribeca gegen sein Image besetzen: In REINE NERVENSACHE spielt er einen Mafioso, der zum Psychiater geht. Als Paul Vitti leidet De Niro unter Schlafstörungen, Atemnot, Erektionsstörungen, ja sogar Hemmungen beim Töten. Sein Gegenpart, gespielt von Billy Crystal, ist eigentlich ein Weichei, das lernen muss, sich durchzusetzen. Die beiden ergänzen sich perfekt, das liegt unter anderem an der subtilen Dialog-Regie von Harold Ramis (BESSER GEHT’S NICHT).
Und damit biegt Robert De Niro in die kommerziell erfolgreichste Phase seiner Karriere ein. REINE NERVENSACHE bekommt eine Fortsetzung und die Komödie MEINE BRAUT, IHR VATER UND ICH (2000) wird zu seinem größten kommerziellen Hit. Als Ex-CIA-Agent und inquisitorischer Schwiegervater macht er darin Ben Stiller die Hölle heiß. Greg (Stiller) hat noch nicht einmal die Schwelle des Hauses überschritten, da muss er sich schon für die Farbe seines Mietwagens und überhaupt alles rechtfertigen.
Auch hier entstehen Sequels, unter anderem mit Barbra Streisand und Dustin Hoffman. Selbstverständlich ist dieser Komödienwahnsinn noch steigerbar. In DIRTY GRANDPA (2016) reist De Niro mit seinem Filmenkel Jason (Zac Efron) zum Springbreak nach Daytona Beach.
Das Großvater-Motiv reizt De Niro erneut, vielleicht auch altersbedingt, noch einmal in IMMER ÄRGER MIT GRANDPA (2020) aus. Doch er spielt auch weiterhin ernste Rollen, etwa in Scorseses Apple-TV+-Produktion KILLERS OF THE FLOWER MOON (2023), der von den heimtückischen Morden an den Mitgliedern des Osage-Stamms in den 1920er Jahren in Oklahoma erzählt, die wegen der Ölvorkommen auf ihrem Land umgebracht werden.
Und jetzt noch einmal der Grandpa, diesmal nicht dirty, sondern warmherzig. EZRA - EINE FAMILIENGESCHICHTE ist eine Geschichte über die Liebe innerhalb einer Familie, über Elternschaft, Anderssein und Akzeptanz.
Wunderbar feinsinnig und klug erzählt der Film von der bedingungslosen Liebe eines Vaters zu seinem Sohn und gewährt ebenso anrührende wie lebensnahe Einblicke in das Leben eines Jungen mit Autismus-Spektrum-Störung. Denn nicht nur Robert De Niros Sohn ist im Spektrum, auch Drehbuchautor Tony Spiridakis kennt diese Diagnose als Vater eines heute 24-jährigen autistischen Sohnes. So verfasste er ein Familiendrama, das tief in seinen persönlichen Erfahrungen verwurzelt ist. Und da schätzungsweise eines von 88 Kindern in den USA eine Autismus-Spektrum-Störung hat, war es den Fimemachern sehr wichtig, diese Gemeinschaft, die nicht oft eine filmische Stimme bekommt, so authentisch wie möglich darzustellen.
EZRA - EINE FAMILIENGESCHICHTE unter der Regie von Tony Goldwyn mit Robert De Niro, Bobby Cannavale, Rose Byrne und Whoopi Goldberg bringt eine großartige Mischung aus Humor und Herz auf die Leinwand. Jetzt im Kino!
Autor/-in: A. Smithee
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