Warum hat dieser Mann noch keinen Oscar®? Unter den mehr als 140 Rollen, die Jonathan Pryce gespielt hat, sind immerhin echte Meisterleistungen. Wir widmen uns einem der meistunterschätzten Schauspieler.
Als Papst Franziskus war Jonathan Pryce schon ganz nah dran. Geklappt hat es mit dem Oscar® jedoch nicht. Noch nicht. Denn Pryce ist auch mit 77 Jahren ein sehr gefragter Schauspieler. In seinem neuen Kinofilm DER PINGUIN MEINES LEBENS ist er als Schuldirektor zu sehen, der ein strenges Regiment führt. Bis ein Pinguin sein Herz erweicht. Eine Paraderolle für den Waliser, der auch als „Mann der zwei Gesichter“ gilt. Warum das so ist, zeigen seine besten Rollen, die wir unter der Vorschau zu seinem neuen Kinofilm vorstellen.
Sir Jonathan Pryce wurde 1947 geboren und lernte sein Handwerk an der berühmten Royal Academy of Dramatic Art. Seine Arbeit am Theater machte ihn zu einem der renommiertesten Bühnenschauspieler der Gegenwart. Er wurde u.a. mit dem Olivier Award ausgezeichnet und gilt als „ultimativer Hamlet seiner Generation“. Auch in Film- und Fernsehrollen hinterlässt Pryce seit Jahrzehnten bleibenden Eindruck. In Terry Gilliams abgefahrener Dystopie BRAZIL (1985) gelang ihm neben Robert De Niro der Durchbruch. Pryce spielt in der Hauptrolle den einfachen Angestellten Sam Lowry, der unter seiner herrischen Mutter leidet und der Liebe wegen aus einem autokratischen System ausbricht.
BRAZIL wurde, visuell überwältigend und darstellerisch exzellent, für zwei Oscars® nominiert und gilt als „großes Kultwerk der Filmgeschichte“ (Cinema). In den folgenden Jahren tat sich Pryce immer wieder mit dem visionär-radikalen Gilliam zusammen. Als vermeintlich ehrenhafter Bürgermeister war er in DIE ABENTEUER DES BARON MÜNCHHAUSEN (1988) zu sehen, der ihm die Möglichkeit gab, sich auch von seiner verschlagenen Seite zu zeigen.
Auch über dreißig Jahre nach ihrer ersten Zusammenarbeit führte das Schicksal Terry Gilliam und Jonathan Pryce wieder zusammen. Nach vielen Irrungen und Wirrungen gelang es Gilliam, sein lang gehegtes Projekt THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE (2018) endlich umzusetzen. Der perfekte Zeitpunkt, um Jonathan Pryce als alten Don Quixote zu besetzen. Oder besser gesagt als alten Schuster, der sich für die berühmte Romanfigur hält. Pryce erweckt seine Figur mit einer verschmitzten Spielfreude zum Leben und wird so zum absoluten Highlight der bislang letzten Regiearbeit von Gilliam.
Ab und an bereichert Jonathan Pryce mit seiner Wandlungsfähigkeit auch das Blockbuster-Kino. In JAMES BOND 007: DER MORGEN STIRBT NIE (1997) trat er als eiskalter Medienmogul auf, der die Weltherrschaft an sich reißen will. In der FLUCH DER KARIBIK-Reihe zeigte er sich von 2003 bis 2007 als Vater von Keira Knightleys Elizabeth Swann wieder von seiner warmherzigen Seite.
Die darstellerisch lohnenswertesten Rollen bieten sich Pryce allerdings abseits des Blockbuster-Kinos. Nach einer bemerkenswerten Nebenrolle in Martin Scorseses Romanverfilmung ZEIT DER UNSCHULD (1993) spielte Jonathan Pryce in einer seiner besten Rollen den homosexuellen Schriftsteller Lytton Strachey, der mit seiner großen Liebe, der britischen Malerin Dora Carrington (Emma Thompson), in einer außergewöhnlichen Beziehung lebt. Die innere Zerrissenheit Stracheys, der in Carrington seine Seelenverwandte erkannt hat und sich doch seine erotischen Abenteuer mit Männern nicht versagen will, bringt Pryce mit unglaublicher Finesse zum Vorschein.
Für CARRINGTON (1995) wurde Pryce bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes als bester Darsteller ausgezeichnet und für zahlreiche weitere Darstellerpreise nominiert. Seine erste Oscar®-Nominierung erhielt Pryce 25 Jahre später für seine Performance als Papst Franziskus in DIE ZWEI PÄPSTE (2019). Mit dem zweifachen Oscar®-Preisträger Anthony Hopkins als Papst Benedikt XVI. hatte Pryce einen überragenden Star als Spielpartner und doch waren die Kritiken sich einig, dass der zu oft übersehene Pryce seinen Landsmann in diesem Film schauspielerisch noch übertreffe.
Die Schauspielveteranen, die übrigens beide aus Wales stammen, trafen erneut im Drama ONE LIFE (2024) aufeinander. Hopkins spielt darin den Briten Nicky Winton, der vor dem Zweiten Weltkrieg hunderte jüdische Kinder vor dem Holocaust rettete. Pryce steht ihm als Freund Martin Blake zur Seite. Blake machte Winton auf die Notlage der Kinder aufmerksam und half ihm bei der Rettungsaktion.
Genau wie Hopkins ist auch Pryce im hohen Alter ein viel beschäftigter Mann. Seit zehn Jahren ist er beständig in großen Serien-Hits wie SLOW HORSES oder THE CROWN zu sehen. In Letzterer ist er als Prinz Philip die wichtigste Stütze für die Queen (Imelda Staunton) in der schwersten Krise ihrer Regentschaft. Dafür wurde Pryce für einen Golden Globe und für einen Emmy nominiert.
Welten entfernt von dem verständnisvollen Ehemann der Queen ist wiederum eine der besten Serienrollen von Pryce – der gefährliche Religionsführer der Spatzen in GAME OF THRONES. Als machtversessener Strippenzieher übertrifft der Hohe Spatz in der preisgekrönten Serie fast sogar noch die perfide Cersei.
In DER PINGUIN MEINES LEBENS kehrt Pryce zunächst einmal seine strenge Seite hervor: Als Direktor Buckle führt er mit harter Hand ein Internat für Jungen in Argentinien. Bis ein Lehrer (gespielt von Steve Coogan) einen von ihm geretteten Pinguin in seine Klasse einschleust. Dem Charme des Pinguins kann selbst der rigide Buckle nicht lange widerstehen.
Wer sich auch von dem putzigen Pinguin verzaubern lassen will, geht ab dem 24. April ins Kino!
Autor/-in: J.Leipnitz
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