Wenn mal wieder eine Schauspielerin für die Rolle einer englischen Königin besetzt werden soll, ruft man zuerst sie an: Olivia Colman. Schließlich sind sämtliche ihrer Darstellungen königlicher Hoheiten preisgekrönt. Und das vollkommen zurecht.
4 BAFTAs, 3 Golden Globes und fast hätte es 2021 dank THE FATHER mit dem zweiten Oscar geklappt.
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Höchste Zeit, sich die britische Schauspielerin Olivia Colman und ihre Rollen einmal näher anzusehen!
Als Tochter einer Krankenschwester und eines Vermessungstechnikers wuchs Sarah Caroline Olivia Colman in bescheidenen Verhältnissen auf. Eigentlich wollte sie Grundschullehrerin werden. Glücklicherweise entdeckte sie aber während ihres Studiums ihre Leidenschaft für das Schauspiel. Bevor sie vor der Kamera in royale Sphären aufstieg, eroberte sich Colman als lebenslustige Sophie in der britischen Comedy-Serie „Peep Show” (2003-2010) ein größeres Publikum. Den Wandel ihrer Figur vom Love Interest des Hauptdarstellers hin zur überforderten Mutter gelang Colman mühelos und obwohl ihr Charakter immer unsympathischer wurde, blieb sie ein Zuschauerliebling.
Mit ihrer unbekümmerten Art und ihren unverblümten Sprüchen nimmt Olivia Colman auch im wahren Leben jeden sofort ein:
„Wenn mich jemand wegen der Größe meines Hinterns nicht mag, kann er sich verpissen. Tatsächlich bin ich nämlich ein echt netter Mensch.”
Mit der Serie „Green Wing” (2004-2006) und der Komödie „Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis” (2007) setzte Colman in Sachen Comedy noch einen drauf und lebte ihren anarchischen Sinn für Humor in vollen Zügen aus. Nach drei Nominierungen für den British Comedy Award wurde sie 2013 als Beste Darstellerin in einem Comedyprogramm für die Serie „Twenty Twelve” (2011-2012) mit einem BAFTA ausgezeichnet.
Keinen Grund zu lachen hatte dagegen ihre erste Hauptrolle, zugleich eine ihrer besten: In Paddy Considines Drama „Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte” (2011) sieht man Olivia Colman als Ladenbesitzerin, die in einem sozialen Brennpunkt arbeitet. Nach außen hin führt sie ein perfektes Leben in einem schönen Haus. Hinter verschlossenen Türen erniedrigt und vergewaltigt ihr Mann sie regelmäßig. Trost findet sie ausgerechnet bei dem cholerischen Joseph (Peter Mullan), der selbst keine Gelegenheit auslässt, sich zu prügeln. Aber einander können sie Halt geben:
Nachdem Olivia Colman für „Tyrannosaur” etliche Kritiker- und Festivalpreise einsammeln durfte, erschien sie endlich auch außerhalb ihrer Heimat auf den TV-Bildschirmen. Als Ermittlerin Ellie Miller in „Broadchurch” (2013-2017) fechtet sie neben David Tennant private und berufliche Probleme aus. Der Erfolg der Krimi-Drama-Serie schwappte über den großen Teich und Colman durfte sich 2014 nicht nur über ihren dritten BAFTA, sondern auch über eine Emmy-Nominierung freuen.
Eines ihrer Markenzeichen ist das strahlende Lächeln. Da geht einem sofort das Herz auf. :D
Oder es lässt das Blut in den Adern gefrieren! Denn von ihrem besonderen schauspielerischen Talent zeugt vor allem Olivia Colmans Fähigkeit, die Zuschauer auch mit fiesen Charakteren für sich einzunehmen. Bereits in ihrer ersten Serie „Peep Show” hatte sie die Autoren gebeten, ihre Rolle möglichst unsympathisch zu schreiben. 2016 schlüpfte sie dann mit Wonne in die Figur der bösen Stiefmutter in der Comedy-Serie „Fleabag” (2017), die die Hauptdarstellerin und Autorin Phoebe Waller-Bridge extra für Colman geschrieben hatte. Als neues Mitglied der Familie der Titelheldin lässt Colman – wie es sich für eine böse Stiefmutter eben gehört – keine Gelegenheit aus, um Fleabag zu demütigen. Natürlich immer mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen:
Die Gemeinheit ihrer Rolle transportiert Colman so genial, dass man sie dafür liebt, dass man sie hasst. Genauso perfide spielt sie die Leiterin einer ganz besonderen Verkuppelungs-Anstalt in „The Lobster” (2016). Als solche bringt sie Singles mit grotesken Methoden dazu, Partner zu finden. Wer sich nicht innerhalb einer vorgegebenen Zeit verliebt, wird in ein Tier seiner Wahl verwandelt. Was so abwegig klingt, kann natürlich nur aus der Feder von Giorgos Lanthimos stammen. Der setzte mit Colin Farrell und Rachel Weisz in den Hauptrollen seine eigene Dystopie um, die an Absurdität kaum zu überbieten ist.
An ihre Rollen als Staatsoberhaupt der Briten tastete sich Olivia Colman zunächst als Tochter von Margaret Thatcher (Meryl Streep) in „Die Eiserne Lady” (2012) heran. Mit Nasenprothese war sie kaum wiederzuerkennen. Von der Spielweise Meryl Streeps war Olivia Colman so hin und weg, dass sie glatt ihren Text vergaß, wie sie in diesem Interview verriet:
Bereits in ihrem nächsten Film spielte Olivia Colman zum ersten Mal eine englische Königin: in der herrlichen Komödie HYDE PARK AM HUDSON (2013) erlebt sie als Königin Elizabeth I während ihres Besuchs beim US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt (Bill Murray) und seiner Frau Eleanor (Olivia Williams) einen Kulturschock nach dem anderen. Dabei ist sie stets kurz davor, dass ihr alles aus dem Gesicht fällt, wie diese Szene mit ihrer Schauspiel-Kollegin Olivia Williams wunderbar zeigt:
Für ihre Performance gewann sie ihren zweiten British Independent Film Award (BIFA). Den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere verdankt Colman aber Queen Anne, der ersten Königin des Königreiches Großbritannien. Nach „The Lobster” gelang es dem griechischen Ausnahmetalent Giorgos Lanthimos erneut, Colman zu darstellerischen Höchstleistungen zu führen. In seinem historischen Drama „The Favourite – Intrigen und Irrsinn” (2018) zeigt sie sich als labile Königin, die im Ränkespiel der Macht zwischen Rachel Weisz und Emma Stone zum Spielball wird. Anstatt zu regieren ergeht sie sich in kindischen Wutanfällen und Fressattacken.
Den Spaß an der Rolle beschreibt Colman so:
„Ich fand es großartig, dass sie alle fünf Minuten sämtliche Emotionen auf dieser Welt empfand. Das ist der Traum jeder Schauspielerin. Sie ist verwöhnt, in Trauer, empfindlich und grausam.”
Colman vollbringt eine schauspielerische Meisterleistung, wenn sie die Weinerlichkeit der kränkelnden Anne plötzlich in tiefe Trauer um ihre verlorenen Kinder umschlagen lässt. Obwohl diese Königin reichlich Potenzial für eine Karikatur böte, nimmt Colman ihr nie die Würde. Bei der Oscarverleihung 2019 war kein Vorbeikommen an ihr. Nach ihrem zweiten Golden Globe und ihrem vierten BAFTA gewann Colman mit ihrer ersten Nominierung auch direkt den Oscar als Beste Hauptdarstellerin. Ihre Rede zeigte einmal mehr ihren wunderbaren Sinn für Humor und gehört zu den witzigsten, erfrischendsten Reden aller Zeiten:
Nach diesem Durchmarsch konnte es für die Königin Elizabeth II in dem britischen Serien-Hit „The Crown” nur eine Wahl geben. In der dritten und vierten Staffel war Colman als amtierende Monarchin zu sehen und gewann – wie sollte es auch anders sein – einen Golden Globe, den mittlerweile dritten. Der Queen muss es auch gefallen haben. Schließlich erhob sie Colman 2019 in den Rang eines Commanders of the Order of the British Empire (CBE).
Obwohl Colman in ihrer Oscar-Rede sicher war, dass sie nie wieder gewinnen würde, dauerte es nur zwei Jahre und sie bekam für ihre Rolle als Anthony Hopkins' Tochter in THE FATHER immerhin ihre zweite Nominierung. Für das Drama arbeitete sie erneut mit Olivia Williams zusammen, die sie bereits aus HYDE PARK AM HUDSON und diversen gemeinsamen Bühnenstücken als Kollegin zu schätzen lernte.
Für Anthony Hopkins klappte es mit dem zweiten Oscar als Bester Hauptdarsteller und Kritiker sahen Colmans Leistung in Florian Zellers Verfilmung seines gefeierten Bühnenstücks auf Augenhöhe mit der von Hopkins. Welche Trophäen der Film noch abgeräumt hat, erfährst du mit einem Klick hier.
Für Freunde großer Schauspielkunst ist THE FATHER also ein wahres Fest. Und für alle, die als Angehörige oder über die Arbeit mit dem Thema Demenz in Berührung gekommen sind, ist es ein aufschlussreiches Erlebnis, das es so noch nicht im Kino zu sehen gab. Wir sind gespannt, womit Olivia Colman uns als nächstes den Atem rauben wird! THE FATHER läuft ab dem 26. August im Kino.
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Autor/-in: J.Leipnitz